Mithilfe eines Torqeedo-Elektromotors und Solarenergie überquerte die vier Meter lange Mahi Two, ein automatisiertes Wasserfahrzeug, den Atlantik. Im Kampf gegen hohe Wellen und Stürme bewies die Technologie ihr ganzes Potenzial. Eine Geschichte über Roboterforscher und den Einfallsreichtum des Menschen.
Pieter-Jan Notes Blick folgt dem kleinen Boot zwischen den hohen Wellen. Es sticht allein in See, immer weiter hinaus aufs Meer, dorthin, wo der graue Himmel im Dunst mit dem Atlantik verschmilzt. „Es fühlte sich an, als würde man sein Kind allein im Meer zurücklassen“, erinnert sich der belgische Ingenieur. Aber er wusste auch, dass er und sein Team vom Projekt Mahi alles getan hatten, um ihr Vier-Meter-Baby stark, robust und unabhängig zu machen.
In Computersimulationen und Tests hatten sie sichergestellt, dass sich das Wasserfahrzeug bei starkem Wellengang wieder aufrichtet und belastbar ist. Kameras, Sensoren, Satellitenverbindungen und ein Bordcomputer sorgten dafür, dass Mahi Two nie die Orientierung verlor. Sie hatten das Deck liebevoll mit Sonnenkollektoren bedeckt, damit die Energie nie versiegt. Und sie hatten einen Torqeedo Cruise 2.0 Pod-Elektromotor eingebaut, der „immer weiterläuft“, wie Note sagt.
Vor dem Start: Die USV-Erfinder Bertold Van den Bergh, Quinten Lauwers, Pieter-Jan Note, Julien Meert und zwei Skipper von Altavela Nautical Services (von links nach rechts). Credit: Project Mahi
Mahi Two ist das erste solarbetriebene autonome Wasserfahrzeug, das erfolgreich den Atlantik überquert hat. Das unbemannte Überwasserschiff (USV - Unmanned Surface Vessel) verließ im September 2021 die Küste Spaniens und erreichte sechs Monate später nach einer mehr als 4.300 Seemeilen weiten Reise die Insel Martinique auf den Französischen Antillen. Es ist eine Erfolgsgeschichte – und so viel mehr. Was zwischen den Küsten Europas und Amerika passiert ist, sagt viel aus über das Potenzial neuer Technologien und menschlicher Kreativität. Und es zeigt, dass man niemals aufgeben sollte.
Solarstrom für Elektromobilität auf dem Wasser
Im Herbst lief alles nach Plan. Guter Wind und gutes Wetter begleiteten das Schiff bis zu den Kanarischen Inseln und weiter nach Westen. Der aus Verbundwerkstoff gefertigte Rumpf macht die Mahi Two robust, effizient und strapazierfähig. Sie ist mit einem Torqeedo Cruise 2.0 Pod-Antrieb und zwei 24-V-Torqeedo-Lithium-Ionen-Batterien ausgestattet, die von Solbian-Solarmodulen aufgeladen werden. Während der ersten Wochen erreichte die Mahi Two regelmäßig fünf Knoten. Theoretisch kann sie bis zu neun Knoten schaffen.
Mahi‘s selbst entwickelte Software ist in der Lage, neben Steuerung und Kommunikation auch die Hardwareintegration zu regeln sowie das Energiemanagement an Bord. Sowohl über ein integriertes Satellitenmodem als auch über GPS und ein automatisches Identifikationssystem kommunizierte Mahi Two verlässlich im 15-Minuten-Takt mit ihrer Crew. Sie teilte unter anderem mit, wo sie gerade ist, wie schnell sie fährt und wie viel Sonnenenergie ihre Panels erzeugt haben. „Man entwickelt eine Art Empathie für die Maschine“, sagt Note, „man stellt sich vor, unter welchen Bedingungen sie da unterwegs ist.“ Eine außergewöhnliche Schiffsreise, die Mahi‘s Fans im Internet in Echtzeit verfolgen konnten.
Die Erfinder und Fans von Mahi Two verfolgten das Schiff in Echtzeit auf ihrer Reise über den Atlantik. Foto: Project Mahi
Der Entdecker am Ufer
Pieter-Jan Note hat die perfekte Ausbildung für einen USV-Erfinder. Schon als Kind segelte und surfte er für sein Leben gern. Was ihn dabei begleitete, war ein Gefühl der Ehrfurcht vor dem weiten, mächtigen Meer. Später verbrachte er viel Zeit damit, ferngesteuerte Fahrzeuge, winzige Hubschrauber, Autos und Boote zu bauen, immer auf der Suche nach dem perfekten System. Ab 2015 studierte er Schiffsarchitektur und Ingenieurswissenschaften an der University of Southampton, wo er einen amerikanischen Studenten kennenlernte, der das weltweit erste autonome Schiff bauen wollte, das den Ozean überqueren sollte – es sank auf der Hälfte des Weges. „Das fand ich eine ziemlich gute Herausforderung“, erinnert sich Note. Das gilt in jedem Fall für die technischen Feinheiten dieser Aufgabe, aber auch für den größeren Zusammenhang: Die Welt des 21. Jahrhunderts ist flach und transparent, alle Berge sind bestiegen, alle Meere befahren, es gibt kaum noch Erfahrungen, die man als Erster machen kann. „Vor 400 Jahren brauchte man ein riesiges Schiff und eine große Besatzung, um den Atlantik zu überqueren“, sagt Note. Und heute? Könnte ein autonomes Schiff diese Reise schaffen? Und der Mensch vom Land aus Entdecker sein?
Wie so viele Erfolgsgeschichten begann das Projekt Mahi in einer Garage: Mit ein paar Freunden aus dem Postdoc-Studium an der Universität von Leuven ging Note die Herausforderung tatsächlich an. „Wir verbrachten Stunden damit, Dinge zu entwerfen, zu bauen und Software zu entwickeln“, sagt er. „Unsere unterschiedlichen Fähigkeiten waren gut verteilt.“
Wie so viele Erfolgsgeschichten startete auch das Projekt Mahi in der Garage seiner Erfinder. Foto: Project Mahi
Bertold Van den Bergh spezialisierte sich auf Systeme und drahtlose Kommunikation, Andreas Belderbos auf Elektro- und Energiemanagement, Quinten Lauwers auf Situationsbewusstsein des USV und Kollisionsvermeidung, Julien Meert auf Schiffsbau und CAD-Design von Komponenten und Koen Geurts auf Navigation. Alle dachten, es würde ein ein- oder zweijähriges Projekt werden, aber sie entwickelten drei verschiedene Prototypen. Das erste Schiff, Mahi Zero, war nur zwei Meter lang. Das erste Schiff in voller Größe, Mahi One, versuchte die Überfahrt, kenterte aber in einem Sturm. „Wir haben jedoch viel aus dieser kurzen Reise gelernt und dieses Wissen genutzt, um Mahi Two zu bauen“, so Note. Jahrelang arbeiteten sie in ihrer Freizeit an dem Projekt. Dieser Start-up-Geist ähnelt anderen Unternehmensgeschichten, wie der von Torqeedo. Die größte Triebkraft für Veränderungen ist im Wesentlichen das Streben nach einer Antwort auf die Frage: Ist es machbar?
„Man braucht einen Motor, auf den man sich verlassen kann“
In den späten 2010er Jahren begann die Entwicklung maritimer USVs gerade erst. „Der Zugang zu kostengünstigen, leistungsstarken eingebetteten Systemen machte das Projekt realisierbar“, sagt Note, „und natürlich braucht man einen zuverlässigen Elektromotor und ein salzwasserbeständiges System, das immer weiterlaufen kann.“ Torqeedo unterstützte das Projekt von Anfang an mit Ausrüstung und Know-how. In der Nacht vor dem Start von Mahi Two versorgte der lokale Torqeedo-Partner Eric Wouters von Variodrive das Team mit einigen neuen Teilen und wertvollen Tipps, um das System noch langlebiger zu machen.
Im Mittelatlantik geriet die Mahi Two in schlechtes Wetter. Über weite Strecken verlangsamte sich das USV auf eine Geschwindigkeit von ein oder zwei Knoten, und in der Nacht, wenn der Motor wegen fehlender Sonnenenergie wie geplant ausging, wurde es oft zurückgedrängt. Doch das Team war begeistert. „Die ersten paar Monate verliefen einwandfrei. Abgesehen von der Anpassung der Geschwindigkeit, um die verringerte Solarstromproduktion zu kompensieren, hat Mahi auch stürmische, bewölkte Tage auf See ohne Probleme überstanden“, erinnert sich Note. Wenn das System ein Problem erkannte, startete es sich selbst neu.
Werden die Daten das Geheimnis lüften?
Im Januar kam es jedoch zu einem Zwischenfall. Mahi Two verbrauchte plötzlich mehr Strom. Das Team fürchtete, dass Wasser in das USV eindrang und die Lenzpumpen hart arbeiten mussten, um dies auszugleichen. Aber das Schiff war Tausende von Meilen entfernt. Die Erfinder hatten nur eine Theorie, konnten das Schiff aber nicht im Detail überprüfen. Nach einigen Tagen ließ der Stromverbrauch nach – eine kurze Erleichterung. Und dann verlor das Team den Kontakt zu Mahi Two, nur 700 Seemeilen vor dem Ende ihrer Mission. „Wir haben alles versucht, um Mahi zu retten“, sagt Note. Das Maritime Rescue Coordination Centre in Martinique bat ein nahe gelegenes Segelschiff, nach dem kleinen USV Ausschau zu halten. Die Teilnehmer einer transatlantischen Ruderregatta suchten sogar in der Nähe ihres letzten bekannten Standorts, aber es war alles umsonst. Mahi Two schien verloren.
Das Mahi-Team durchforstete die Gigabytes an Daten, die Mahi Two bereits nach Hause geschickt hatte, um nach Antworten zu suchen. Vergeblich. Dann, zwei Monate nach dem Verlust der Verbindung, eine Überraschung: Note erhielt einen Anruf vom Maritime Rescue Coordination Centre Fort-de-France in Martinique: Mahi war gefunden worden! „Sie ist also doch nicht gesunken. Stattdessen hatte sie ihre Mission erfüllt und sich ganz allein zur Küste von Martinique navigiert.“ Während er die Geschichte erzählt, klingt er bewegt von einer Heldenreise. Und das zu Recht.
Die Mission ist erfüllt: Die Mahi Two an einem Strand auf den Kleinen Antillen. Bildunterschrift: Project Mahi
Das Team analysiert noch immer, was zwischen dem Kommunikationsausfall und der erfolgreichen Landung passiert ist. Das USV hat 2,4 Terabyte an Daten aufgezeichnet: Kamerabilder, Audiosignale und so weiter. Das Projekt Mahi wird diesen Schatz an Meeresdaten ins Netz hochladen, damit Forscher aus verschiedenen Bereichen darauf zugreifen können. Note und seine Freunde hatten Zeit, sich einige Videos anzusehen, und waren begeistert von den Unterwasservideos, in denen das USV auf den großen und seltsamen Mondfisch oder den schlanken und eleganten Mahi-Mahi, seinen Namensvetter, traf.
Nach der ersten erfolgreichen Atlantiküberquerung durch ein solarbetriebenes USV hat ein Teil des Projekt-Mahi-Teams vor Kurzem ein Unternehmen gegründet, um autonome Lösungen für die Seefahrt auf den Markt zu bringen. Sie entwickeln Software- und Hardwareprodukte, die es USVs ermöglichen, Hindernisse und andere Schiffe genau zu erkennen und Kollisionen gemäß den Internationalen Regeln zur Verhinderung von Zusammenstößen auf See zu vermeiden. „Projekte wie unseres werden das Vertrauen in die Technologie stärken“, sagt Note. An einigen Fragen wie der Gesetzgebung und den Energiequellen muss noch gearbeitet werden, aber „es gibt eine Menge Möglichkeiten in der Forschung und Überwachung“.
Dieses Abenteuer ist vorbei, aber die nächsten Jahre werden noch viel aufregender sein. Man stelle sich vor: Das USV hat den Atlantischen Ozean ganz allein überquert. Was kann es sonst noch alles erreichen?
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