Zum Auftakt der internationalen Frauenregatta „Helga Cup“ nahm Olympia-Seglerin Anastasiya Winkel ukrainische Kinder und Jugendliche mit auf die Außenalster. Am Steg des Hamburger Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) zeigte sich, wofür die Welt der Segler in diesen Zeiten steht: Empathie, Kooperation und Spaß am Wassersport.
Das Schilf und die hängenden Zweige der Trauerweiden am Ufer der Hamburger Außenalster biegen sich im Wind, und die Masten der wartenden Segelboote klimpern schon angriffslustig. Es hat aufgefrischt. Während die rund 20 ukrainischen Kinder und Jugendlichen, die heute zum ersten Mal auf ein Segelboot steigen werden, noch etwas schüchtern zwischen ihren Müttern sitzen, bestürmen die Hamburger Segelkids des NRV ihren Star „Nasty“ und schreien: „Autogramm! Autogramm!“ Da muss die ukrainische Generalkonsulin sich wohl kurz gedulden, bis Anastasiya Winkel allen Kindern auf den Unterarm gekritzelt hat – und wieder Ruhe einkehrt.
Am vergangenen Wochenende fand auf der Alster zum fünften Mal der „Helga Cup“ statt, die größte Frauen-Segelregatta der Welt. Torqeedo unterstützt die Veranstaltung seit Jahren mit Elektromotoren für Coach- und Arbeitsboote – und arbeitet eng mit dem Norddeutschen Regatta Verein zusammen, um eine nachhaltige, offene Kultur im Segelsport zu fördern.
Der Eröffnungstag der viertägigen Regatta steht ganz im Zeichen des Engagements gegen den Ukraine-Krieg. Die deutsch-ukrainische Olympia-Seglerin Anastasiya Winkel zeigt den jungen Geflüchteten zusammen mit vier ukrainischen Profisportlerinnen und mehreren NRV-Seglerinnen ihre neue Heimatstadt Hamburg aus einer ganz neuen Perspektive – vom Wasser aus.
Die Schirmherrin der Veranstaltung, Generalkonsulin Iryna Tybinka, sagt: „Solange der Krieg nicht zur Gewohnheit wird, haben wir die Hoffnung, dass er bald endet.“ Auch Anastasiya Winkel, die vor sechs Jahren wegen ihrer großen Liebe nach Deutschland kam, sagt, hat Angst, Europa könnte den Krieg in ihrer Heimat bald vergessen. „Anfangs gab es unerwartet viel Hilfe. Das war toll. Es wäre schön, wenn es so bleiben würde“, sagt sie.
Olympia-Teilnehmerin Anastasiya Winkel (rechts) landete mit ihrem ukrainischen Segelteam auf Platz sechs.
An diesem Tag ist der Krieg weit weg. Und so soll es auch sein. „An diesem Tag geht es einfach darum, dass die Kinder Spaß haben“, sagt Sven Jürgensen, Initiator und Organisator des „Helga Cup“. Spaß am Wassersport, das ist das Wichtigste, und doch geht es in solchen Momenten immer auch um größere Dinge: Empathie und Miteinander, zum Beispiel. Anastasiya Winkel hat seit Kriegsbeginn bereits mehr als 60 ukrainischen Menschen eine Bleibe in Norddeutschland vermittelt. Viele dieser Geflohenen sind Segler:innen, die wiederum bei deutschen Segler:innen untergekommen sind. So bleibt ihnen trotz ihrer schwierigen Situation die Möglichkeit, den geliebten Wassersport weiter auszuüben – und den Krieg für einige Momente beiseitezuschieben.
Segeln, sagt Anastasiya Winkel, sei ein Sport für die Seele. „Wenn ich auf dem Wasser bin, kann ich den Kopf ausschalten und im Hier und Jetzt sein“, sagt sie. Und auch die meisten Kinder würden das Wasser „einfach lieben“. Heute können sie den Segelsport ausprobieren, auch wenn sie noch kaum Deutsch sprechen. Der NRV hat für sie eigens eine ukrainische Segeltrainerin fest angestellt. Auch sie ist vor Kurzem geflohen. Sie wird in den kommenden Wochen und Monaten regelmäßig Kurse auf der Außenalster anbieten. Die Anmeldungen laufen.
Einfach die Zeit auf dem Wasser genießen – dafür steht auch der „Helga Cup“.
„Wenn man flieht“, sagt Winkel, „ist man oft einsam. Man sitzt den ganzen Tag vor dem Handy oder dem Laptop. Aber es ist auch wichtig, dass die Eltern ihre Kinder zur Abwechslung mal richtig glücklich sehen können – und ein Stück Normalität zurückgewinnen.“ Winkel ist mit dem deutschen Profi-Segler Malte Winkel verheiratet und lebt seit Jahren in der deutschen Küstenstadt Kiel. Ihre Mutter und Großmutter leben noch zu Hause in der ostukrainischen Stadt Altschewsk, ihr Halbbruder ist in Kiew.
Der NRV sei für sie „wie eine Familie“, sagt Winkel. Als sie darüber spricht, wie der Segelklub „in schwersten Zeiten“ für sie da gewesen sei, bricht ihr die Stimme weg. Zeit, raus aufs Wasser zu gehen. Die stark gekräuselte Oberfläche der Außenalster glitzert jetzt in der Sonne, während sich die ukrainischen Kinder und die Seglerinnen aus Hamburg und der Ukraine auf den Weg zum Boot machen. Und dann legen sie ab, und es geht hinaus in eine Welt mit eigenen Gesetzen, in der alles gut ist, zumindest für eine Weile.
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