Elektrischer Fährdienst angetrieben von Torqeedo
Bangkok ist eine der am stärksten verstopften und verschmutzten Städte der Welt. Um die Megametropole nachhaltiger und lebenswerter zu machen, hat die Bangkok Metropolitan Administration ein ehrgeiziges Programm zur Elektrifizierung des Stadtverkehrs gestartet. Eines der wichtigsten Projekte ist ein elektrischer Fährdienst auf den zahlreichen Kanälen der Stadt. Die Fähren werden von Torqeedo Elektromotoren angetrieben. Wir haben uns an Bord einer Khlong-Phadung-Krung-Kasem-Fähre begeben, um herauszufinden, wie Elektromobilität auf dem Wasser die Städte zum Besseren verändern kann.
Es ist nur ein kleiner Schritt, aber Rawisuda Khaodee betritt eine neue Welt. Gerade noch war die junge Geschäftsfrau durch die Innenstadt von Bangkok gehetzt, hatte sich durch die verstopften Straßen geschlängelt, den Lärm von Motorradtaxis, Bussen und unzähligen Pkws ertragen, hatte immer wieder auf den Smartphone-Bildschirm geguckt, um die Uhrzeit zu checken, und war vielleicht sogar über die FFP2-Maske froh, weil die nicht nur vor dem Coronavirus schützt, sondern auch den Smog abhält, der in der thailändischen Metropole den Himmel verdüstert. Jetzt besteigt sie am Khlong-Phadung-Krung-Kasem eine grün lackierte Fähre – und entspannt sich sichtlich. „Die Elektrofähren sind ganz neu und sehr leise“, sagt sie. Und das Wichtigste: „Sie fahren meist nach Plan. Ich kann mich darauf verlassen, dass ich meinen Anschlusszug erwische.“
Beinahe lautlos legt die Fähre ab. „Dank der kühlen Brise und der schönen Aussichten entlang der Strecke ist die Fahrt richtig entspannend“, sagt Prapharat S., die an diesem Tag ebenfalls an Bord ist, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. „Vor allem, wenn man durch die Altstadt von Bangkok fährt.“ Der Arbeitsweg wird zur Auszeit, bei der man einen Moment der inneren Ruhe genießen kann.
Die 17-Millionen-Metropole Bangkok gehört zu den am schlimmsten verstopften Städten der Welt – durchschnittlich verbringt ein Einwohner hier pro Tag 96 Minuten im Verkehr. Bangkok liegt auch auf Rang zwölf der Städte mit der höchsten Smogbelastung. Trotzdem setzen immer mehr Menschen auf den Pkw, um von A nach B zu gelangen, da die Busse unzuverlässig und veraltet sind – nur 5,8 Prozent des Modal Shares in Bangkok entfallen auf moderne öffentliche Verkehrsmittel wie U-Bahnen.
Die Straßen in Bangkok sind an den meisten Tagen verstopft. Die Kanäle sind eine tolle Alternative. Bildrechte: Athikhom Saengchai
Um den Infrastrukturinfarkt abzuwenden und die Umweltbelastung zu senken, hat die Bangkok Metropolitan Administration im Frühjahr 2021 die erste Flotte von Elektrofähren in Betrieb genommen. Die 16 Meter langen Fiberglasboote werden von zwei Torqeedo Cruise Elektromotoren angetrieben und bieten Platz für bis zu 30 Passagiere. Die Fährlinie schafft eine Verbindung zwischen dem mächtigen Fluss Chao Phraya und einem der wichtigsten Bahnhöfe der Stadt, aber auf dem Wasser gibt es keine roten Ampeln und keinen Stau. Das ambitionierte Projekt ist nur der erste Schritt einer Transportrevolution, die Bangkok zu einer nachhaltigeren und lebenswerteren Stadt machen soll.
Wer möchte nicht Teil der Lösung sein?
Auf dem engen Kanal sind alte Wassertaxis unterwegs und auch traditionelle Longtail-Boote, die von knatternden Zweitaktern angetrieben werden. Im Vergleich dazu sehen die Elektrofähren mit der leuchtend grünen Farbe, der LED-Beleuchtung und den digitalen Steuerungssystemen futuristisch aus. „Das elektrische Antriebssystem spart Energie und ist umweltfreundlich“, sagt Sathaphon Phuengchai, der leitende Kapitän der Elektrofähren, seit Beginn der Prototypphase im Jahr 2018 dabei. Früher steuerte er konventionelle Fähren auf dem Phasi-Charoen-Kanal und er mag das Gefühl, zur Lösung eines der drängendsten Probleme seiner Heimatstadt beizutragen. Aber er schätzt auch das Fahrgefühl: „Elektrofähren fahren ruhiger als Dieselboote und bieten ein entspannendes Fahrerlebnis“, sagt er und erzählt, dass er problemlos ein 360-Grad-Manöver in dem engen Kanal durchführen kann. Begeistert berichtet er von den technischen Features des Bootes: „Wir haben Solarzellen auf den Dächern der Boote angebracht, um Strom speziell für das Beleuchtungssystem im Inneren der Fähre zu erzeugen.“ Indem Hotel Load-Anforderungen durch Solarenergie gedeckt werden, erhöht sich im sonnigen Südostasien auch die Reichweite der Boote. Die Fähren haben zwölf Torqeedo Power 24-3500 Lithiumbatterien an Bord und damit eine Reichweite von gut 33 km – genug für drei Roundtrips. Je nach Einsatzfall können die Fähren im Hafen aufgeladen werden, was vier Stunden dauert, oder die Batterien werden im laufenden Betrieb ausgetauscht, um Ausfallzeiten zu minimieren.
Sathaphon Phuengchai ist der leitende Kapitän der Elektrofähren und glaubt an die Mission des Projekts. Bildrechte: Athikhom Saengchai
Auch das Torqeedo Team vor Ort arbeitet mit Herzblut an dem Projekt. Weil es zur Mission des deutschen Hightech-Konzerns gehört, die CO2-Emissionen durch eine Elektrifizierung des Schiffsverkehrs in den Metropolen der Welt zu verringern. Und weil jeder Einwohner von Bangkok natürlich ein persönliches Interesse daran hat, das Verkehrsproblem zu lösen. „Sobald man sich auf der Straße bewegt, wird das Leben unerträglich“, sagt auch Joe Macdonald, Sales Manager bei Torqeedo Asia Pacific Inc., der selbst auf ein Auto verzichtet und sich mit einer Mischung aus Skytrain, Taxi und Wasserbus fortbewegt. Der Wasserverkehr ist die Zukunft: „Man braucht nur zwei Minuten, um den Chao Phraya mit einem Boot zu überqueren“, sagt er. „Mit einem Auto braucht man eine Stunde, um eine Brücke zu finden.“
Eine wichtige Fallstudie für ganz Asien
Die Torqeedo Ingenieure und Techniker haben eng mit der Bangkok Metropolitan Administration und der ausführenden Bootswerft MariArt zusammengearbeitet, um das beste Set-up für das Projekt zu finden. Die flachen, schmalen Fiberglasboote eignen sich perfekt, um in engen Kanälen mit niedrigen Brücken zu navigieren. Die alten 225-PS-Dieselmotoren wurden durch zwei 10 kW starke Torqeedo Cruise Motoren ersetzt. „Der öffentliche Nahverkehr eignet sich gut für den Einsatz von Elektroantrieben“, sagt Macdonald. „Wir wissen, dass wir X Stunden mit Y Knoten fahren und Z Kilometer zurücklegen wollen.“ Auf diese Art und Weise kann man dann das passende Batterie- und Antriebsystem ermitteln und so garantieren, dass immer genug Energie vorhanden ist. Die Ergebnisse aus dem Betrieb sind ermutigend. Elektrische Antriebssysteme verbrauchen nur während der Fahrt Energie und und stoßen keine CO2-Emissionen und Schadstoffe aus, anders als Dieselmotoren, die auch laufen und Abgase ausstoßen, wenn Passagiere an oder von Bord gehen. „Alle sind begeistert von den Kosteneinsparungen“, sagt Macdonald. „Die Boote verbrauchen weniger Energie, und auch der Wartungsaufwand ist viel geringer.“ Das Kanalprojekt sei ein wichtiger Case für ähnliche Einsatzmöglichkeiten in Vietnam, auf den Philippinen und in Australien. „Bangkok ist ein Leuchtturm-Markt in Asien“, sagt er. „Wenn wir demonstrieren, dass sich das Geschäftsmodell lohnt, werden viele Städte in der Region nachziehen.“
Die leisen und komfortablen Elektrofähren verbessern das Image des öffentlichen Nahverkehrs in Bangkok. Bildrechte: Athikhom Saengchai
Ein neues Image für den ÖPNV
Öffentliche Verkehrsmittel hatten in Thailand lange Zeit kein gutes Image. Die Nutzung von Bus, Tuk-Tuk oder Wassertaxi galt als Zeichen materieller Not – auch weil diese Massenverkehrsmittel häufig unangenehm, unsicher und unbequem sind. Auf der Elektrofähre genießt Rawisuda Khaodee, dass „das Personal freundlich, gut geschult und serviceorientiert ist. Ich kann spüren, dass die Sicherheit der Fahrgäste für sie Priorität hat.“ Die Elektrofähren sind Teil einer Initiative der Stadtverwaltung, öffentliche Verkehrsmittel attraktiver zu machen. „Früher war es laut und geruchsintensiv auf dem Wasser“, meinte auch Aswin Kwanmuang, der Gouverneur der Stadt Bangkok bei der Eröffnung des Service. „Nun können wir während der Fahrt Musik hören und die Zeit auf dem Wasser genießen.“
Unsere Partner von der thailändischen Werft MariArt erklären das Projekt. Bildrechte: Mariart Shipyards
Das Projekt entwickelt sich schnell: Was mit sieben Booten auf dem Khlong Phadung startete, wird aktuell mit zwölf weiteren Booten auf dem Khlong Saen Saep fortgeführt und soll bis Ende 2021 auf dem Lat Phrao ausgeweitet werden. „Es gibt mehr als 1.100 Wasserstraßen in Bangkok, wir haben also noch viel vor uns, aber wir hoffen, dass wir nach und nach 400 km an Kanälen erschließen“, sagt Torqeedo Manager Macdonald. Er freut sich auch schon darauf, den Verkehr auf dem Chao Phraya Fluss, auf dem starke Strömungen herrschen, mit leistungsstarken Torqeedo Hochvoltsystemen wie dem Deep Blue Antrieb zu elektrifizieren. Die elektrischen Fähren werden Teil eines zusammenhängenden elektrifizierten Verkehrsnetzes sein, das auch elektrische Busse, eine Monorail und die Umrüstung von Hunderten von Bangkoks ikonischen Tuk-Tuk-Taxis umfasst. Bis 2035 sollen 30 Prozent des Verkehrssystems auf Elektroantrieb umgestellt sein.
Die Torqeedo Cruise 10.0 Elektromotoren werden von zwölf Lithiumbatterien angetrieben. Bildrechte: Athikhom Saengchai
Venedig des Ostens
Bis zur Industrialisierung im 20. Jahrhundert war Bangkok als Venedig des Ostens bekannt. Die Kanäle der Stadt, Khlong genannt, waren die Hauptverkehrsadern. Sogar die Märkte fanden auf dem Wasser statt. Doch im Laufe der Zeit wurden immer mehr Wasserstraßen zugeschüttet oder unter Asphalt begraben, um mehr Straßen zu bauen. Das rasante Wachstum der Stadt führte zu einer schlechten Stadtplanung – so sind etwa ein Drittel der Straßen Sackgassen. Noch heute gibt es 1.100 Kanäle mit einer Gesamtlänge von mehr als 2.500 Kilometern. Inzwischen wird in mehreren Initiativen daran gearbeitet, die Kanäle besser in der Verkehrsmix zu integrieren. „Wassergebundene Transportsysteme für Passagiere bieten eine großartige Alternative für Küsten- und Flussstädte“, heißt es in einer wissenschaftlichen Studie mit dem Titel „Sustainable Boat Transportation Throughout Electrification of Propulsion Systems“, „insbesondere in dichten städtischen Gebieten, in denen der konventionelle Straßenverkehr sein volles Potenzial erreicht hat.“ Im Zuge des „Resurrecting Canal“-Projekts werden in Bangkok bestehende Kanäle freigelegt, vertieft und in das Wasserstraßennetz integriert. Pongporn Sudbanthad, Lead-Architekt des Projekts, hofft, „den Tourismus sowie Handels-, Taxi- und Passagierschiffe anzuziehen und soziale Unternehmen entlang der Kanäle anzusiedeln“.
Die Investitionen in einen nachhaltigen Wasserverkehr sind dringend notwendig. Bangkok wurde auf Sumpfgebiet erbaut. Die Stadt sinkt etwa einen Zentimeter pro Jahr ab und könnte bereits 2030 unterhalb des Meeresspiegels liegen. Überflutungen sind schon heute eines der drängendsten Probleme der Stadt und werden durch den Klimawandel noch häufiger werden. Das Kanal-Restaurations-Projekt sieht vor, dass urbane Wälder entlang der Kanäle angelegt werden, um so das Wasser besser ableiten und den Wasserfluss im Netz verbessern zu können, wie der Architekt Pongporn Sudbanthad berichtet.
Die Elektrofähren liefern den Beweis, dass das Geschäftsmodell funktionieren kann – auch in anderen Regionen Asiens. Bildrechte: Athikhom Saengchai
Die Pendlerin Rawisuda Khaodee freut sich schon auf eine Zukunft, in der alle Verkehrsmittel in Bangkok so gut funktionieren wie die Fähre und in der sie „ohne anzuhalten, zu warten und nachzudenken vom Bus auf das Boot in die Bahn wechseln kann“. In der Gegenwart stehen die Busse meist im Stau – und auch der Fährverkehr wird unterbrochen, wenn nach einem Monsunregen der Wasserpegel im Kanalnetz zu stark steigt. Hier wurde ein Frühwarnsystem eingerichtet, um die Passagiere in Echtzeit zu informieren. Der Umstieg auf Elektromobilität erfolgt keine Sekunde zu früh. Nur durch drastische, rasche Emissionssenkungen können die negativen Auswirkungen des Klimawandels noch begrenzt werden – und die Schifffahrt auf den Kanälen des asiatischen Venedigs bleibt möglich und Bangkok lebenswert.
Eine halbe Stunde nachdem sie an Bord gegangen ist, verlässt Rawisuda Khaodee die Fähre und geht in aller Ruhe zum Bahnhof, um ihren Anschlusszug zu erreichen. Heute wird sie ihren Arbeitsplatz pünktlich erreichen. In einer Stadt wie Bangkok ist das immer ein kleines Wunder. Sie hofft, dass sie sich sehr bald daran gewöhnen wird.
Bereit für den kommerziellen Einsatz
Stark im Kommen sind Elektro- und Hybridantriebe für Fähren und Wassertaxis. Hier spielen die typischen Vorteile von Elektroantrieben eine große Rolle.
– Die Stromkosten sind viel niedriger und stabiler als bei Benzin- und Dieselantrieben.
– Ein deutlich reduzierter Wartungsaufwand bedeutet mehr Zeit auf dem Wasser und mehr Geld in der Tasche.
– Null lokale Emissionen – eine dieselbetriebene Fähre verursacht eine Luftverschmutzung, die in etwa der von 40 Dieselbussen entspricht.
Mehr Informationen:
Hochauflösende Fotos finden Sie in der: › Torqeedo Dropbox
Mehr Informationen über Torqeedo für gewerbliche Anwendungen: › Gewerbliche Anwendungen
Den Hauptkatalog 2021 finden Sie hier: › Katalog 2021
Den kommerziellen Katalog 2021 finden Sie hier: › Kommerzieller Katalog 2021
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