„Unser langfristiges Ziel: klimaneutrale Mobilität“
Als Dr. Christoph Ballin vor 15 Jahren Torqeedo gründete, gab es den Begriff „Elektromobilität“ nicht. Jetzt hat das deutsche Hightech-Unternehmen gerade den 100.000. Motor ausgeliefert und treibt Motorboote, Segelboote, Yachten und Elektrofähren rund um den Globus elektrisch an. Hier spricht er über den Wendepunkt für Elektromobilität auf dem Wasser – und die bahnbrechenden Technologien, die uns weiterbringen.
Herr Ballin, gerade wurde der 100.000. Torqeedo Elektromotor ausgeliefert. Was bedeutet das für Sie und Ihr Team?
Die runde Zahl ist ein symbolischer Meilenstein. Er zeigt, dass Elektromobilität auf dem Wasser keine Nische mehr ist, sondern für immer mehr Menschen zur Normalität wird. Als wir vor 15 Jahren unseren ersten Motor verkauft haben, wurde damit ein Verbrennungsmotor ersetzt – und CO2-Emissionen wurden reduziert. Und diesen Effekt haben wir nun 100.000-mal erreicht. Der Klimaschutz ist seit jeher Kern unserer Mission.
Wie fortgeschritten war Elektromobilität, als Sie vor 15 Jahren Torqeedo gründeten?
Der Begriff existierte als solcher noch gar nicht. Aber schon 2005 war offensichtlich, dass Elektromobilität eine entscheidende Rolle für unsere Zukunft spielen würde: Auf der einen Seite standen schon damals das weltweite Bevölkerungswachstum und die schnell expandierende globale Mittelschicht mit Anforderungen an Mobilität und Freizeit. Auf der anderen Seite gab es aber auch schon die dringende Notwendigkeit, CO2-Emissionen zurückzufahren und den Klimawandel zu begrenzen. Diese großen Entwicklungslinien waren uns immer klar. Und damit waren auch die darin liegenden Chancen für den Aufbau von etwas Neuem erkennbar. So wurden wir zum Marktführer für klimafreundliche Mobilität.
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Wie kamen Sie darauf, einen Elektroantrieb für das Wasser herzustellen?
Ich zog damals aus Zufall an den Starnberger See, der zu den vielen Seen mit strengen Naturschutzbestimmungen gehört, die wir bei Torqeedo auch „Green Lakes“ nennen: Auf diesen Seen werden keine oder nur wenige Lizenzen für motorbetriebene Boote vergeben. Ich schaute mich deshalb nach alternativen elektrischen Antrieben um. Die verfügbaren Modelle waren jedoch technisch nicht auf der Höhe der Zeit oder boten nur geringe Leistung. Mein Gründungspartner und ich waren der Auffassung, dass wir das besser können. So entstand die Idee zum Travel Motor, einem kompakten elektrischen Außenborder mit integrierter Batterie, der bis heute unser Bestseller ist.
Wie waren die ersten Reaktionen auf Ihre Motoren?
Ich werde den Moment nie vergessen, als wir auf der weltgrößten Indoor-Bootsmesse „boot Düsseldorf“ das erste Mal unsere Produkte zeigten. Wir konnten das Interesse vor dem Launch nur schwer abschätzen, unsere Produkte waren fundamental neu. Zehn Minuten nach Öffnung der Türen war unser Stand schon total überlaufen – und das blieb die ganze Messe lang so. Von da an wussten wir, dass wir wirklich etwas verändern können.
Wurden Torqeedo Motoren speziell für geschützte Gewässer entwickelt?
Nein. Wir wollten nie Antriebe bauen, die Kunden nur kaufen, weil sie auf den „Green Lakes“ nichts anderes benutzen dürfen. Torqeedo Antriebe sollten immer so attraktiv sein, dass Nutzer sie in jedem Fall gegenüber Verbrennungsmotoren bevorzugen. Das ist der Anspruch, den ein spannendes Produkt erfüllen muss, für das man sich gern engagiert – und es ist auch die Voraussetzung, um mit elektrischen Antrieben auf industrielle Volumina zu kommen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wir fokussieren uns also nicht auf regulierte Gewässer. Wir fokussieren uns auch nicht auf die größten Marktsegmente. Wir fokussieren uns auf diejenigen Anwendungen, in denen elektrische Mobilität bereits heute sinnvoll und wettbewerbsfähig ist: elektrische Antriebe für Segler, Beiboote, Fahrgastschiffe, Rettungsboote, Kajak-Angler. Und wir beobachten andere Anwendungsgebiete sehr genau, in denen klimafreundliche Mobilität erst in Zukunft praktikabel und wettbewerbsfähig werden wird.
Die Spirit 111 ist eine der größten und modernsten Segelyachten mit einem elektrischen Antriebssystem: dem Torqeedo Deep Blue Hybrid 100 kW. Bildquelle: Spirit Yachts
Wenn Ihnen 2005 jemand gesagt hätte, dass Torqeedo 2020 Elektromotoren für Fähren herstellt – was hätten Sie geantwortet?
Ehrlicherweise hatten wir Fähren und Fahrgastschiffe 2005 nicht auf dem Plan. Aber bereits in unserem ersten Businessplan gingen wir davon aus, dass wir über die Zeit sechsstellige Absatzzahlen erzielen würden. Wir hatten in den Reihen unserer Kollegen auch immer genug Tempoliebhaber, dass schnelle Gleiter als Fernziel von Beginn an auf dem Radarschirm waren. Ein wichtiger Meilenstein war deshalb der Launch unseres Hochleistungssystems Deep Blue im Jahr 2013, das für Gleiter, Yachten, Arbeitsboote und Fahrgastschiffe eingesetzt wird. Und: Hochleistungsantriebe, die jeden Tag im gewerblichen Einsatz verwendet werden, leisten natürlich auch einen größeren Beitrag zum Schutz der Luftqualität und des Klimas.
Sind Elektromotoren wirklich klimafreundlicher als Verbrenner?
Die kurze Antwort lautet: ja, eindeutig. Für die ausführliche Antwort muss man verschiedene Aspekte betrachten. Um die Gesamtenergiebilanz elektrischer Antriebe mit der von Verbrennern zu vergleichen, muss man einerseits den CO2-Ausstoß betrachten, der durch die Produktion der Antriebssysteme entsteht, und andererseits die CO2-Emissionen, die durch den Betrieb verursacht werden. Grundsätzlich gilt: Elektrische Antriebe sind immer dann bereits heute klimafreundlicher, wenn sie entweder kein höheres Gewicht als vergleichbare Verbrennungsmotoren haben oder wenn sie häufig im Einsatz sind. Bei vergleichbaren Gewichten sind die produktionsbasierten CO2-Emissionen beider Technologien vergleichbar, und elektrische Antriebe stoßen im Betrieb weniger CO2 aus. Sind die elektrischen Antriebe wesentlich schwerer, wird dieser Effekt bei häufiger Nutzung durch geringere Emissionen im Betrieb mehr als kompensiert.
Ein anderer Aspekt ist meines Erachtens aber wesentlich wichtiger als der Vergleich der aktuellen Energiebilanzen: Der einzige Weg, unsere Mobilität klimaneutral zu gestalten, liegt darin, Energie klimaneutral zu erzeugen und Antriebe zu verwenden, die im Betrieb klimaneutral sind. Das ist die große Herausforderung. Wer sich mit Veränderungsprozessen auskennt, weiß, dass wir diesen Wandel nicht mit einem einzigen herkulischen Akt meistern werden und dass der Anteil klimafreundlicher Antriebe nicht plötzlich von null auf 100 Prozent steigen wird. Die Veränderung läuft sukzessive ab: Aktuell beträgt der Anteil klimafreundlicher Antriebe circa ein Prozent. Bald sind es vier, dann acht und so weiter. Und parallel muss der Anteil klimaneutraler Energieerzeugung erhöht und die Verteilung der zusätzlich benötigten Energie gestaltet werden. Vor diesem Hintergrund ist wirklich jedes elektrische Fahrzeug ein Schritt in die richtige Richtung, weil es uns hilft, die notwendige Veränderung zu bewältigen.
Deep Blue Hybrid System für größere Yachten. Bildquelle: Mike Bowden
Welche technologischen Innovationen könnten dafür sorgen, dass klimafreundliche Elektroantriebe sich in den kommenden Jahren weiter verbreiten?
Wir arbeiten aktuell an vielen Innovationen in Batterietechnik, Motortechnik, Elektronik und Software. All das wird dazu beitragen, dass Elektromobilität auch in anderen Marktsegmenten eingesetzt werden wird. Aber auch Neuerungen im Bootsbau wie Leichtbau-Materialien und effiziente Rumpfformen spielen eine Rolle. Die radikalste Weiterentwicklung im Bootsbau für elektrische Antriebe sind Hydrofoils, die man aus den „America’s Cup“-Rennen der letzten Jahre kennt. Das sind Tragflächen, teilweise elektronisch gesteuert, die den Bootsrumpf aus dem Wasser heben und den Reibungswiderstand des Wassers um bis zu 80 Prozent senken. Durch Verwendung dieser Technologie kann man die Reichweite bei schneller Fahrt durchaus verdoppeln – für die Verbreitung von Elektromobilität extrem attraktiv! Es gibt dazu erste Produkte, im Moment aber noch in kleiner Stückzahl.
Sie sprechen oft von „Antriebssystemen“, nicht von Motoren – warum der Fokus auf Systeme?
Zu elektrischen Antriebssystemen gehören neben dem Motor auch Batterien, Ladetechnik, User-Interface, gegebenenfalls Wechselrichter und so weiter. Wir wollen den Umstieg auf Elektromobilität für Anwender und unsere Werftkunden so einfach wie möglich machen, indem wir fertige Plug-and-play-Systeme anbieten. Darüber hinaus gilt: Wenn ein elektrisches Antriebssystem eingesetzt wird, muss irgendjemand dafür die Gesamtverantwortung übernehmen – nicht nur für die einzelnen Komponenten, sondern auch für deren zuverlässiges und sicheres Zusammenspiel. Dies sicherzustellen, bedeutet einen hohen Aufwand in der Entwicklung, der sich für eine einzelne Werft nicht lohnt. Diese Aufgabe muss von einem Anbieter übernommen werden, der verschiedene Werften beliefert. Deshalb übernehmen wir das.
Dr. Christoph Ballin mit einem 10.0 Cruise Motor mit Pinnensteuerung: Der 100.000. Elektromotor der Firmengeschichte wird den Tender der Spirit 111 antreiben.
Wer bekommt eigentlich den 100.000. Torqeedo Motor?
Unsere Kollegen von Spirit Yachts in England: Die fast 35 Meter lange Spirit 111 ist eine der größten und modernsten elektrischen Segelyachten der Welt und mit einem 100 kW Deep Blue Hybrid Hochleistungssystem ausgestattet. Der 100.000. Motor ist ein Cruise 10.0 Elektromotor, der ein Beiboot der Spirit 111 antreiben wird. Das passt perfekt: Moderne Hochseeyachten wie die Spirit 111 werden durch Elektromobilität klimaneutral. Sie generieren Energie selbst, indem sie den Propeller beim Segeln mitlaufen lassen – das nennen wir Hydrogeneration. Daneben helfen Solarmodule, den Energiebedarf der Yacht zu decken. Die zur Sicherheit noch vorhandenen Dieselgeneratoren sind nur noch Backup-Systeme.
“Kein Geräusch, genug Energie, Unabhängigkeit – jeder, der gerne Zeit in der Natur und auf dem Wasser verbringt, erkennt die Schönheit dieses Gedankens.”
Dr. Christoph Ballin, Mitgründer und CEO von Torqeedo
Wie wird sich Elektromobilität in den nächsten 15 Jahren verändern?
Wir gehen fest davon aus, dass sie sich weitflächig durchsetzt und wir uns immer klimafreundlicher fortbewegen. Bei Segelyachten, Motorbooten und kleineren Fahrgastschiffen, die heute bereits effizient und praktikabel mit Elektromotoren angetrieben werden, wird sich der Anteil klimaneutraler Mobilität weiter erhöhen. Und dann arbeiten wir an Weiterentwicklungen der Batterietechnik und dem möglichen Einsatz von Brennstoffzellen, um dafür zu sorgen, dass Elektromobilität in Zukunft auch in neuen Anwendungsfeldern eingesetzt werden kann.
Es ist durchaus möglich, dass Brennstoffzellen zuerst auf dem Wasser eingesetzt werden, da die Infrastrukturfrage für Binnengewässer einfacher zu lösen ist als für den Straßenverkehr. Der Umbau unserer Mobilität hin zu Klimaneutralität ist die größte Transportherausforderung der kommenden Jahrzehnte. Es ist wichtig, dass wir sie meistern. Daran arbeiten wir – jeden Tag.
Lesen Sie auch die Pressemitteilung zur Ankündigung unseres 100.000. Motors: › Torqeedo Dropbox
Infobox
Dr. Christoph Ballin gründete Torqeedo im Jahr 2005 und ist CEO des Unternehmens. Er spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung aller Torqeedo Produkte und der Erweiterung des Marktes für Elektromobilität auf dem Wasser in der ganzen Welt.
Christoph Ballin studierte Betriebswirtschaftslehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, wo er auch promovierte, und begann seine Karriere als Berater bei McKinsey & Company. Vor der Gründung von Torqeedo arbeitete er als Geschäftsführer der Gardena Deutschland GmbH.
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